Geburtsbericht von Anja:
Wahrscheinlich würden nicht viele Frauen behaupten, dass die Geburt ihrer Kinder schön war. Für viele ist es eine Grenzerfahrung. Für einige wenige ist es das Schlimmste, was sie je erlebt haben. Ich kann das nicht sagen. Ich fand besonders die Geburt meines ersten Kindes sehr schön. Klar, die Geburt war anstrengend, intensiv und auch sehr schmerzhaft. Aber eben auch wunderschön.
Ohne Ärzte, ohne Schmerzmittel und ohne Kreißsaal: Was haben das Bergsteigen und eine Geburt gemeinsam?
Ich habe meine beiden Kinder im Geburtshaus Frankfurt bekommen und würde es immer wieder so machen. Ich brauchte die Geborgenheit und Selbstbestimmtheit mehr als jedes Schmerzmittel oder medizinische Absicherung. Dabei hatte ich vor meinem ersten Kind ziemlichen Respekt, wenn nicht sogar richtig fiese Angst vor der Geburt. Vor den Strapazen, den Schmerzen und …ach einfach alles. Schaff ich das? Diese Frage spukte mir viel im Kopf herum. Es ging sogar so weit, dass ich überlegt habe, einen geplanten Kaiserschnitt in Kauf zu nehmen. Wie nun dieser Sinneswandel? Es war Hebamme Jana vom Geburtshaus Frankfurt, die mir mit einem Vergleich beziehungsweise einem Bildnis sehr geholfen hat: Sie verglich die Geburt mit einer g’scheiten Bergtour. Auch hier erscheint der Gipfel erst einmal ewig weit weg. Auch hier hat man zwischendurch keine Kraft mehr. Vielleicht auch Angst, weil man den Rückweg nicht mehr packen könnte. Das kenne ich. ? Häufig kam ich beim Bergsteigen an meine Grenzen – vor allem in den Anfängen – und bin über sie hinaus gewachsen. Ich hatte gelernt, mich in Situationen, wo ich nicht mehr weiter konnte oder wollte, nur auf die vor mir liegende Teilstrecke zu konzentrieren. Die nächsten hundert Höhenmeter, die nächste Kehre oder gar den nächsten Schritt. So kam ich irgendwann ans Ziel – den Gipfel (oder die Hütte) und wurde durch eine traumhafte Fernsicht (oder lecker Kaiserschmarrn) belohnt. Und genauso habe ich es bei den Geburten gemacht. Ich habe versucht, nicht an den „großen Berg“ zu denken. An zahllose Stunden mit Wehen und Schmerzen. Nein, ich habe eine Wehe nach der anderen genommen. Mich dazwischen ausgeruht so weit es ging. Und schwups, waren sie da. Naja, ganz so schwups war es natürlich nicht, aber ihr wisst sicher, was ich meine. ?
Ohne Ärzte, ohne Schmerzmittel und ohne Kreißsaal: Es geht los – oder doch nicht?
Im Laufe des Freitags ging es los. Schon Wochen vorher hatte ich meist abends recht starke Übungswehen. Auch über einen längeren Zeitraum. Aber an diesem Freitag wusste ich irgendwie: das ist es jetzt, heute geht es los. Die Wehen hatten einfach eine andere Qualität, eine andere Intensität und hörten auch nicht mehr auf. Der werdende Papa wurde angerufen und verbrachte den Tag mit mir. Wir sind viel spazieren gegangen, um die Wehen anzukurbeln. Haben einen Film geguckt und versucht, uns vor dem großen Sturm auszuruhen. Gegen Mitternacht ging es dann wirklich los. Ich habe im Geburtshaus angerufen und Hebamme Nora hatte Dienst. Das Schöne am Geburtshaus: Du kennst die Hebamme, die dein Kind entbindet. In den Vorsorgeuntersuchungen der letzten Wochen und Monate hatte ich alle acht Hebammen kennengelernt. So auch Nora. Wir besprachen, wie es mir ging und sie hörte mir beim Hecheln zu. Denn mittlerweile musste ich die Wehen auch schon veratmen. „Das reicht so noch nicht, warten wir mal noch.“ Okay. Mir hat das Gefühl, dass ich jederzeit anrufen kann, um den aktuellen Stand zu besprechen, sehr gut getan. Frau will ja auch nicht zu früh fahren und dann wieder nach Hause geschickt werden. Nach einer Stunde fühlte ich mich aber nicht mehr wohl zu Hause und wir machten uns – nach Absprache – auf ins Geburtshaus.